Der Übungszug der Deutschen Bahn Netz AG hat am Donnerstag Station am Simbacher Bahnhof gemacht. 120 Aktive aus vielen Feuerwehren durchliefen hier eine sehr spezielle Schulung. Dabei ging es um den möglichen Austritt von Gefahrstoffen aus einem Kesselwagen und wie darauf zu reagieren ist. Abschließend mussten verschiedene Lecks abgedichtet werden.
Die Theorie erfolgte durch zwei Ausbilder der Bahn; die Leitung des praktischen Teils hatte Heiko Schedlbauer, Fach-Kreisbrandmeister für den Bereich ABC und Gefahrstoffe, inne. Am Dienstag und Donnerstag gab es überwiegend Teilnehmer des Gefahrgutzugs Rottal-Inn, bestehend aus Aktiven der Wehren aus Eggenfelden, Pfarrkirchen, Bad Birnbach, Triftern, Wittibreut und Simbach. Hinzu kamen Feuerwehren aus Gemeinden entlang der Bahnstrecken sowie Kollegen aus Braunau. Der Mittwoch war reserviert als Schulungstag für Wehren aus dem Landkreis Altötting.
Auch Führungskräfte fanden sich ein, unter ihnen Kreisbrandrat Rene Lippeck, Kreisbrandmeister Karl Kaiser und Stefanie Kronberger, Leiterin des Sachgebiets Öffentliche Sicherheit und Ordnung am Landratsamt Rottal-Inn.
Bei dem letzten von sechs Durchgängen, am Donnerstagabend, war auch die PNP vor Ort. Schedlbauer informierte, dass es sich hier um keine Pflicht-, sondern eine spezielle Zusatzausbildung handle. Sie werde mit einem entsprechenden Eintrag ins Dienstbuch der Aktiven dokumentiert. „Wichtig ist die Arbeit am echten Objekt“, so der Kreisbrandmeister. Zudem sei dieser „Ausbildungszug Gefahrgut“ – der einzige seiner Art in Deutschland – auf drei bis vier Jahre im Voraus ausgebucht. Er ist quasi ein Überbleibsel der einstigen Werks-Feuerwehr der Bahn und dient jetzt der Weiterbildung der Feuerwehren, die ihn kostenlos benutzen können. „Geparkt“ auf Gleis 9 bot er sicheren Zugang von zwei Seiten.
Einweisung in einem extra Unterrichtswagen
Der Kurs gliedert sich in drei Teile: Zunächst gibt’s eine 45-minütige theoretische Einweisung im Unterrichtswagen, der über entsprechende Sitzmöglichkeiten sowie moderner Präsentationstechnik verfügt. Hier frischt Schulungsleiter Uwe Lindenberg unter anderem das Wissen über Gefahrgutklassen und ihre Kennzeichnung am Kesselwagen auf.
Anschließend wird 45 Minuten lang der Aufbau des Kesselwagens erklärt. Dieser Ausbildungswagen ist eine Spezialanfertigung, eine Mischung aus drei verschiedenen Kesselwagentypen, um ein möglichst breites Spektrum abzubilden. Hier sind insgesamt 65 verschiedene Armaturen und Sicherheitsventile verbaut. Einige zur Verwendung kommende Armaturen sowie deren Funktion werden am und im Wagen vorgestellt. Dieser ist innen begehbar und man kann sogar sein Dach erklimmen, um dort verschiedene Domdeckelausführungen begutachten zu können.
Lindenberg erklärt die Funktion jedes Hebels, jedes Drehrads und jeder Kurbel. Viel Fachchinesisch. Den Teilnehmern wird eingeimpft, wo Gefahren lauern. Wichtig für die Feuerwehren ist: Bei unklarer Lage sollen sie kein Risiko eingehen, sondern sich lieber um die Absicherung und notfalls Evakuierung kümmern, bis Experten vor Ort sind.
Im dritten Teil, der eine Stunde dauert, folgt die Praxis: Ein eigens vorbereiteter Kesselwagen hat neun Lecks. Durch die Austrittsstellen dringt Wasser, das über einen Feuerwehrschlauch ins Innere gepumpt wird. In Wirklichkeit wäre das natürlich eine gefährliche Flüssigkeit. Die Feuerwehren trainieren nun in voller Ausrüstung, mit welcher Technik jedes Leck geschlossen werden kann.
Mit verschiedenen Techniken Lecke schließen
Da wäre zum Beispiel ein Riss im Bereich der Tanksohle, ein Querriss seitlich am Tank, eine undichte Zapfarmatur, ein defekter Tankboden oder ein Doppelleck im Bereich der Sattelleiste.
„An dem Leckagewagen können Tätigkeiten, wie das Auffangen von Gefahrgut und das Abdichten von Lecks praxisnah mit den unterschiedlichsten Mitteln geübt werden“, heißt es in einer Beschreibung der Bahn. Lindenberg und sein Kollege stehen jetzt nur noch beobachtend dabei, während KBM Schedlbauer den Ablauf für die etwa 20 Teilnehmer erklärt. Man bildet zwei Gruppen, die sich nacheinander um jedes Leck kümmern sollen. Alles ist erlaubt, nur keine „Gewaltanwendung“, also ein Bearbeiten der Löcher mit schwerem Werkzeug, um den Kesselwagen nicht zu beschädigen.
Die Kursteilnehmer erhalten keinerlei Anweisungen, wie jetzt vorzugehen ist. Sie werden mit der Situation konfrontiert und sollen selbst eine Strategie finden. Improvisation ist gefragt. Zum Abdichten darf alles verwendet werden, was der Feuerwehr-Rüstwagen und die Natur hergeben: Stöckchen, Äste, Holzkeile, Dichtkissen, Leckbandagen und vieles mehr.
Schnell kristallisieren sich Sprecher der Teams heraus, man kramt in den Kisten, diskutiert und stößt auf unvorhergesehene Schwierigkeiten. Manche Lecks befinden sich weit oben am Tank, andere sind unten zwischen dem Gestänge kaum erreichbar. Für Schedlbauer ist wichtig, dass der Flüssigkeitsverlust weitgehend reduziert wird. Was dann noch austritt, kann in Wannen gesammelt werden.
Simulation soll für den Fall der Fälle vorbereiten
So wuseln die Aktiven weiter um den inkontinenten Kesselwagen herum, bis die Dunkelheit hereinbricht. Nun sind die Teilnehmer für den Fall der Fälle vorbereitet. „Leckagen an Kesselwagen kommen ja glücklicherweise äußerst selten vor“, erklärt Ausbildungsleiter Lindenberg. „Deshalb ist es umso wertvoller, einen solchen Einsatz tatsächlich einmal zu simulieren.“
Text und Bilder Alfons Jäger, PNP